Agenturinkasso quo vadis?

Das Agenturinkasso stellt eine Sonderform des Prämieninkassos in der deutschen Versicherungswirtschaft dar. Dieses auch als Drittinkasso, Partnerinkasso oder – sehr verbreitet – Maklerinkasso genannte Verfahren wird zwischen zahlreichen Versicherungs- und Maklerhäusern durchgeführt. Aktuell dürfte die Quote des Maklerinkassos gemessen am gesamten Prämienvolumen bei weniger als 10 % liegen. In anderen europäischen Versicherungsmärkten, wie z. B. Italien oder Frankreich liegt diese Quote wesentlich höher. Hier ist immer noch der Agent zentraler Ansprechpartner des Kunden. Die Versicherungsgesellschaften erfüllen eher die Rolle des Produkt- und Risikoträgers und sind damit weniger der direkte Ansprechpartner.

Wodurch zeichnet sich das Agenturinkasso genau aus?

Allgemein ist im Agenturinkasso der Makler mit der Vereinnahmung der Prämien beim Endkunden betraut. Hierzu schließen Makler und Versicherer eine entsprechende Inkassovereinbarung ab. Diese legt fest, in welchen Abständen das Inkasso durchzuführen ist und wann die Prämien an den Versicherer, also den eigentlichen Risikoträger abzuführen sind. Einen guten Überblick leistet hier die Richtlinie des Verbandes Deutscher Versicherungsmakler e.V..

Im Rahmen der Abrechnung behält der Makler die jeweilige Courtage, also seine Vergütung für die Durchführung des Inkassos ein und zahlt einen entsprechenden Abrechnungsbetrag an den Versicherer. In einer Abrechnungsübersicht stellt der Makler die detaillierten Abrechnungspositionen dar und übermittelt diese an den Risikoträger zur Verarbeitung im eigenen Inkassosystem.

Hört sich eigentlich nicht schwierig an, oder? Aber Maklerinkasso ist Klärungsgeschäft!

Der Teufel steckt im Detail bzw. in der Abweichung. Denn bei vielen Abrechnungspositionen verbirgt sich eine Abweichung auf Prämien- und/oder Courtageebene. Ursachen für Abweichungen sind vielfältig. Hauptgrund ist die nach wie vor verbreitete doppelte und meistens asynchrone Bestandsführung sowohl beim Makler als auch beim Versicherer. D. h. jeder der beiden Partner unterhält einen Vertragsbestand in dem die Policierung als auch die Nachtragsverwaltung durchgeführt werden. Allein durch unterschiedliche Policierungs- und Nachtragszeitpunkte, sowie durch Sondervereinbarungen auf Maklerseite sind damit der Vielfalt von Abweichungsgründen keine Grenzen gesetzt, z. B.:

  • Makler policiert vierteljährlich, der Versicherer dagegen jährlich
  • Makler hat bereits policiert, der Versicherer aber noch nicht
  • Makler hat eine abweichende Prämie policiert
  • Makler verkauft ein Bündelprodukt (z. B. Mulitline-Geschäft). Der Versicherer gibt je Risiko eine andere Courtage an das Provisionssystem, wohingegen der Makler mit einem Durchschnittssatz kalkuliert
  • Der Nachtrag ist beim Makler bereits verarbeitet, beim Versicherer ist noch der alte Vertragsstand abgebildet

Diese Störfälle sind ein wesentlicher Faktor für sehr lange Bearbeitungs- und Durchlaufzeiten. Im Ergebnis ist der Inkassoweg Makler mit dem Faktor 10-20 teurer als das Direktinkasso. Die Beispiele zeigen auch den wesentlichen Unterschied zum Direktinkasso des Versicherers auf. Hier ist zentrale Quelle der Wahrheit für die Inkassodaten einzig und allein das Bestandssystem des Versicherers, womit es zu keinem Angriffspunkt durch eine asynchrone Bestandsführung kommt.

Viele Versicherer verzichten mittlerweile ganz auf diesen Inkassoweg Makler. Die Kehrseite ist natürlich, dass bestimmte Produkte und Kundengruppen (z. B. Groß- und Industriekunden, Flottenkunden, Immobilienverwaltungen) dann nicht mehr verkauft bzw. adäquat bedient werden können. Womit die Entscheidung pro/contra Maklerinkasso auch eine entscheidende vertriebliche Komponente hat.

Die folgende Abbildung gibt die wesentlichen Phasen und Aktivitäten des Agenturinkassos auf einer Zeitachse von sechs Monaten wieder. Durch vielfältige Übermittlungs- und Abstimmprozesse kann es diesen Zeitraum benötigen bis eine, wie in diesem Beispiel im Januar fälligen Prämie im Juni final beglichen ist.

Was also tun?

Wenn man sich mit den Ansatzpunkten zur Verbesserung im Agenturinkasso beschäftigt, so geht es häufig zunächst einmal um die folgenden Ansatzpunkte:

  • Digitalisierung und Beschleunigung der Einarbeitung von Maklerabrechnungen
  • Schnelle Erkennung von Klärfällen
  • Zügige Adressierung von Klärfällen und deren Beseitigung
  • Zügiges Forderungsmanagement bei nicht abgerechneten Positionen
  • Gezielte Insolvenzüberwachung
  • Betreuungskonzepte für die Makler im Rahmen der Verwaltungs- und Abrechnungsprozesse

Damit werden zumindest die Symptome kuriert, die durch die asynchrone Bestandsführung entstehen. Anders gesprochen sind dies Lösungen sog. 1. Ordnung. Dabei wird auf einem Handlungsfeld weiter optimiert, bis die Zitrone eigentlich weitgehend ausgepresst ist.

Im Rahmen der Ursachenbekämpfung könnten andere Lösungsansätze den Charakter einer Lösung 2. Ordnung erhalten und damit eine nachhaltige Beschleunigung und Vereinfachung des Inkassoweges unterstützen.

Seien wir doch mal ehrlich…

Das Problem der Abrechnungsdifferenz entsteht eigentlich viel früher. Durch Zeitversatz in der Maklerpolicierung und der nachfolgenden Policierung beim Versicherer, Medienbrüche und komplexe Vertragskonstrukte wird doch eigentlich schon viel Zeit versäumt, um bereits vor Beginn des Inkassoprozesses einen synchronen Vertragsstand herzustellen.

Je früher hier eine Möglichkeit für den frühzeitigen Abgleich beider Bestände gefunden wird, desto höher ist das Potenzial für eine reibungslose Inkassoverarbeitung.

Erinnern wir uns an die obige Abbildung. Je besser also die Qualität des Inkassoauftrages, desto reibungsloser verläuft dieser nach der Abrechnung durch den Makler. Damit müssen mögliche Aktivitäten weiter vorn auf der Zeitachse begonnen werden.

Take action!
5 Hypothesen zur Beschleunigung – packen wir das Problem an der Wurzel an!

Erste Hypothese:
Wenn der Versicherer der Policierung des Maklers folgt, werden Abweichungen an der Quelle vermieden.

Viele große Maklerhäuser arbeiten in ihrem gesamten Geschäftsmodell und mit ihrer Organisationsstruktur bereits wie ein „Quasi-Versicherer“. D. h. sie sind in der Lage selbständig zu tarifieren und auch eigene Produktmodelle verschiedener Risikoträger anzubieten.

Folgt in diesem Fall der Versicherer dem Makler und übernimmt die Sollstellungen und Courtagen in seine Bestands- und Vertriebssysteme, so entstehen keine Abweichungen, die im Nachgang mühsam geklärt werden müssen. Natürlich ist dieser Weg häufig nur den größeren Maklerhäusern vorbehalten und wird auch nur bestimmten Produktgruppen zugeordnet (z. B. nettoisierten Policen im Kfz-Flottengeschäft).

Zweite Hypothese:
Wenn bei der Vertragsverwaltung Vorfahrt für das Maklergeschäft besteht, können Abweichungen frühzeitig geklärt werden.

Zügige Bearbeitung von Neuanträgen, Nachträgen und sonstigen Änderungen im vom Makler geführten Vertragsgeschäft helfen, die oben genannten Auslöser für Abweichungen vor Beginn des Inkassoprozesses zu vermindern. Durch gezielte Vorfahrt und geeignete Priorisierung des Neu- und Änderungsgeschäftes in der Vertragsverwaltung kann der häufig um den Jahreswechsel entstehende „Bearbeitungsstau“ aufgelöst werden.

Dies führt dazu, dass Rückfragen durch den Makler oder der Inkasso-Abteilung nicht erst bei Erkennen des Störfalles im Inkassoprozess, sondern zeitlich viel früher mit dem richtigen Ansprechpartner in der Vertragsverwaltung stattfindet.

Dritte Hypothese:
Eigene Produktlinie für das Maklergeschäft berücksichtigt den besonderen Abwicklungsprozess

Vielleicht macht es Sinn sich bei der Produktgestaltung mit dem gesamten Lebenszyklus und Bearbeitungsprozess eines Versicherungsproduktes auseinandersetzen.

Was ist damit gemeint?

Im Unterschied zum direkten Vertrieb der Produkte tritt der Makler als Quasi-Versicherer auf. Der gesamte Beratungs- und Abwicklungsprozess wird über das Maklerhaus gesteuert, was auch den Zahlungsprozess beinhaltet. Eine Produktgestaltung, die diesem Umstand Rechnung trägt, wird unvermeidlich dazu führen, dem Makler optimale Abwicklungsprozesse auch für seinen Zahlungsverkehr mit dem Kunden anzubieten.

Vierte Hypothese:
Eine Wiederbelebung der Rundumsachbearbeitung entschärft das Problem durch Bearbeitung aus einer Hand!

Die vierte Hypothese ist nach Jahren der Spezialisierung und Zentralisierung von Funktionen sicher gewagt.

In vielen Unternehmen ist die Inkassofunktion zentralisiert und siloartig als Dienstleister für das Gesamtunternehmen aufgebaut. Die offenen Forderungen werden als Inkassoaufträge von den Beständen „über den Zaun geworfen“. „Aus den Augen, aus dem Sinn“ könnte man sagen. Im Falle von Abweichungen fallen diese natürlich dann erst bei der Abrechnung durch den Makler auf.

Es könnte helfen, für Produkte mit dem Zahlungsweg Agenturinkasso, den Vertragsverwaltungs- und Inkassoprozess wieder in eine Hand zu legen. Dazu muss ja keine komplette Reorganisation stattfinden. Kleine, spezialisierte, interdisziplinäre Teams könnten hier mehr Tempo und Effizienzgewinne generieren und vor allem die Zufriedenheit des externen Vertriebspartners signifikant erhöhen. Damit wird zudem Verständnis für die Problemlage und die Anforderungen an einen optimalen und kostengünstigen Inkassoprozess in der Vertragsverwaltung geschaffen.

Fünfte Hypothese:
Der digitale Datenaustausch muss vorne anfangen und nicht erst in der Inkassoabwicklung

Die Digitalisierungsoffensiven im Bereich des BiPRO e.V. forcieren die Prozessintegration zwischen Makler und Versicherer. So bietet das Releasepaket 2.6 der BiPRO auch die Norm 430.7 zur Digitalisierung des Prozesses „Übermittlung von Abrechnungsdaten“. Das ist einerseits eine Errungenschaft, da Maklerabrechnungen bekanntermaßen in vielfältigen Formaten übermittelt werden. Andererseits ändert dies nichts an der mangelhaften inhaltlichen Übereinstimmung der Abrechnungsdaten mit dem eigentlichen Forderungsbestand, womit sich die arbeitsintensive Anzahl der Klärfälle kaum reduzieren wird. Die Norm setzt hier einfach zu spät im Gesamtprozess an. Erst wenn eine frühzeitige Synchronisierung der Bestandsdaten stattfindet und Abweichungen ausgeräumt sind, erst dann wirkt die Norm 430.7 wie ein elektronsicher Kontoauszug analog zum Direktinkasso. Dieser lässt dann ebenso einen hohen Grad an Dunkelverarbeitung zu.

Wenn man die Wirksamkeit der Hypothese noch einmal der Zeitachse zuzuordnen versucht entsteht ein recht interessantes Bild. Die meisten Maßnahmen greifen sehr früh, teilweise sogar vorher durch eine differenzierte Aufstellung im Maklergeschäft.

Natürlich ist es richtig den Inkassoprozess des Versicherers durch die eingangs genannten Optimierungsansätze richtig auszurichten. Mit dem langfristigen Ziel der Automatisierung und Erhöhung der Dunkelverarbeitung scheinen mir die genannten Hypothesen zumindest eine Diskussion wert, um die Chance auf umfassende und nachhaltige Lösungen zu wahren.

Fazit

Auf der einen Seite ist es und wird es immer wichtiger die Kommunikation mit den Maklerhäusern auf ein verlässliches digitales Fundament zu heben. Insbesondere wenn dieses sehr früh in der Vertragsverwaltung mit einer Bestandssynchronisierung verbunden ist. Angereichert mit klassischen Methoden der Prozessgestaltung und der Betriebsorganisation ist dann sicher noch viel mehr Ergebnis und um einige Prozente kostengünstiger erreichen. Betreiben sie neben einer umfassenden digitalisierten Kommunikation ein konsequentes Produkt- und Prozessengineering für einen nachhaltigen Erfolg im Maklermarkt.