Themenspektrum der GDV Fachtagung Zahlungsverkehr 2016 – Volle Kraft voraus oder einen Schritt zurück?
- Veranstaltungen
- André Preiß
- 17.05.2016
Vom 28.04 - 29.04.2016 fand die GDV Fachtagung Zahlungsverkehr in Köln statt. Was gibt es Neues im Zahlungsverkehr der deutschen Versicherungswirtschaft? Die Themenschwerpunkte der Veranstaltung standen im Zeichen der Digitalisierung und den Überlegungen zur Implementierung neuer elektronischer Zahlwege. Der regulatorischen Berichterstattung seitens GDV folgten Beiträge aus der Praxis. Diesmal dabei Branchenvertreter der Allianz, Generali und Talanx. Die Payment-Anbieter paydirekt und Barzahlen.de stellten Ihre Produkte vor. Weitere Vorträge kamen von ibi Research und BearingPoint. Im Folgenden fasse ich die wesentlichen Inhalte und Aussagen der aus meiner Sicht interessanten Beiträge zusammen.
So der Titel zur Eröffnung der GDV Zahlungsverkehr Vortragsreihe 2016 durch Ralph Herchenbach (Talanx). "Nicht das große Thema steht an, sondern die Herausforderung, Entwicklungen zu erkennen, neue Perspektiven zu finden und Weiterentwicklungen voranzutreiben." Herchenbach fasste bereits zu Beginn der Fachtagung passend zusammen, dass sich seit dem Treffen vor einem Jahr wenig verändert hat. Die Zahlungsverkehrsabwicklung ist nach Einführung von SEPA unter den Gesichtspunkten Digitalisierung, Standardisierung und Automatisierung weiterhin effizient. Hauptaugenmerk gilt den deutschen Versicherungsunternehmen bei der Status-Quo-Absicherung in der Zahlungsverkehrs-Abwicklung. Problemfelder bestehen weiterhin im Forderungsmanagement, der Verarbeitung von Geschäftspartner-Abrechnungen und im Reporting. Wobei den letzten beiden Themen aus meiner Sicht an den Veranstaltungstagen leider wenig Rechnung getragen wurde.
Alles in Allem dominiert der interne Kostendruck bei den Versicherern. Dynamische Anstöße erfolgen lediglich aus dem Kundenumfeld. Von daher kann ich den folgenden Hypothesen von Hr. Herchenbach voll zustimmen:
Angesichts der Vielzahl an Themen und Vorhaben in der VU-Branche und der scheinbaren Stabilität im Zahlungsverkehr besteht das Risiko, dass der Zahlungsverkehr und alle damit verbundenen Themen in ihrer Bedeutung unterschätzt werden.
Seitens Dr. Mareike Lohmann (GDV) erfolgte ein Rückblick auf die SEPA Einführung in Deutschland, Weiterentwicklung der SEPA-Zahlverfahren, Instant Payment und gesetzgeberische Aktivitäten.
Seit dem 01. Februar 2016 sind die finalen SEPA-Fristen verstrichen. Die Übergangsregelung zur Nutzung der BLZ und Kontonummer und karteninitiierter Lastschriften (ELV) ist abgelaufen. Ab 01. November 2016 folgen nochmals wesentliche Änderungen wie z.B. die Reduzierung der Mindestvorlagefristen beim SEPA-Basis-Lastschriftverfahren auf D-1 und dem Entfall der Kennzeichnung COR1 zugunsten dem europaweiten einheitlichen CORE. Die Kennzeichnung von Erst- und Folgelastschriften entfällt, SEPA-Lastschriften werden zukünftig nur noch nach dem Mandatstypen mit „One-Off“ (Einmalzahlung) oder „Recurrent“ (wiederkehrende Zahlung) unterschieden.
SEPA Credit Transfer Instant (SCT Inst) – an diesem Thema ist das EURO Retail Payment Board seit Dezember 2014 hinsichtlich Instant Payment aktiv. Ende 2016 soll das SCT Inst-Rulebook veröffentlicht werden, so dass ab Ende 2017 das Beitrittsverfahren zum Regelwerk beginnen kann.
Was ist SCT Inst?
Besteht hier ein potentieller Zusatznutzen für die Versicherungswirtschaft? Sicherlich, im Hinblick auf das Sicherheitsbedürfnis des Versicherungsnehmers und in der Kostenreduktion. Denn die Zahlungstransaktion erfolgt in diesem Modell ohne Drittanbieter – am Beispiel Versicherung direkt zwischen den Banken der Versicherungsnehmer und Versicherer. Der Bedarf an Dienstleistern wie PayPal oder paydirekt könnte somit wieder in den Hintergrund treten.
Alexander Graf (Generali Deutschland Services) berichtet von der Revolution im Handel durch den Einsatz neuer Geschäftsmodelle. Vorreiter sind Unternehmen wie Amazon, Ebay, Zalando oder Otto. Die Hälfte aller Zahlungen erfolgen bei diesen Onlinehändlern, gemäß einer Erhebung des EHI Retail Institute (Stand 2014), per Überweisung und Lastschrift. Bemerkenswert sind 20% der Zahlungen mit PayPal bzw. 11% mit Kreditkarte.
Aber ist eine Adaption auf die deutsche Versicherungswirtschaft möglich? Im Gegensatz zum Handel existieren in der Versicherer-Versicherungsnehmer-Beziehung doch gravierende Unterschiede:
Aber dennoch, Graf zeigt auf, wie sich die „Customer Journey“ in der Versicherungswirtschaft fundamental ändert. Prozesse werden einfacher und schneller. Und das kennt der Kunde ja bereits aus dem Handel.
Auch Harald Weber (Allianz Deutschland) referierte über den Wandel im Handel und dem potentiellen Nutzen für die Versicherungswirtschaft. Bestehende aber auch neue Produkte könnten durch Paypal oder paydirekt unterstützt werden.
Es folgte der altbekannte Ausflug in das Reich der Unfallversicherung am Skilift und Reisekrankenversicherung im Zugabteil. Ich stimme zu: "Durch die Nutzung von digitalen Bezahlprozessen können prozessuale Kosten eingespart werden". Tiefe bzw. neue Erkenntnisse durch den "Ski-Lift-Case" konnte ich leider nicht erlangen. Die "angehauchte" Kosten-Nutzen-Darstellung zu klassischen und digitalen Bezahlweisen lieferte mir ebenfalls keinen Mehrwert.
Ich frage mich: Wo bleibt der Case zu Produkten mit wiederkehrenden Zahlungen?
Neue Payment-Strategien, Payment-Service-Provider, PayPal, paydirekt, usw.. Wieso wird der nicht vorhandene Verkäuferschutz bei wiederkehrenden Zahlungen durch einen Anbieter wie zum Beispiel PayPal nicht als wesentliches Problem identifiziert? Aus meiner Sicht wäre dieser Verkäufer-Schutz der Schlüssel dafür, die Folgeprozesse im Zahlungsverkehr wesentlich für den Versicherer zu optimieren. Einlösungsgarantien, automatische Zahlungszuordnungen und ein obsoletes Mahnwesen wären die Folge. Mit den klassischen "Einmalzahlungs-Produkten" wie Auslandsreisekranken oder Moped-Kennzeichen versetzte ich in der Branche keine Berge!
Der Zahlungsverkehr aus wissenschaftlicher Sicht. Vorgetragen von Dr. Georg Wittmann von ibi research. Hochspannend – allerdings zu umfangreich für diesen BLOG-Beitrag. Daher zusammenfassend das Fazit von diesem wirklich interessanten Beitrag:
Der zweite Veranstaltungstag startete mit einem Vortrag von Carsten Erler (BearingPoint). Digitale Momente – Implikationen zum Zahlungsverkehr. Erler referierte über digitale Ökosysteme mit digitalen, mehrdimensionalen Plattformen, die eine branchenübergreifende Vernetzung zur Produktgestaltung ermöglichen. Die Darstellung generisch, allerdings wurde der disruptive Ansatz ersichtlich. Als Anwendungsbeispiel für Versicherungen bringt Erler die Krankenversicherung mit Fitness-Abo und weiteren additiven Services.
Hinsichtlich Auswirkungen auf den Zahlungsverkehr wird in diesem Modell klar, dass Payment-Strategien, Payment-Service-Provider sowie additive Services zunehmend eine zentrale Rolle einnehmen werden.
Mit Barzahlen.de und Achim Bönsch von Cash Payment Solutions (CPS) kam dann der aus meiner Sicht erste valide Case der Veranstaltung hinsichtlich neuer Zahlwege im Versicherungssektor. Barzahlen.de ist Zahlungsanbieter für Bargeldzahlungen. Versicherungsnehmer können Barzahlen.de zur Zahlung von Versicherungsbeiträgen nutzen.
Am Beispiel Faktura ein Beispiel für Barzahlen.de:
Derzeit ist Barzahlen.de deutschlandweit in über 10.000 Filialen der REWE-Märkte, dm-drogerie Märkte, PENNY-Märkte, real- Supermärkte möglich und bietet Bargeld-affinen Kunden die Möglichkeit, ohne Angabe von sensiblen Finanzdaten online einzukaufen. Zahlungen sind auf EUR 999,- und Auszahlungen auf EUR 300,- begrenzt.
Was sind die potentiellen Einsatzbereiche bei Versicherungen?
Entscheidender Vorteil – die 100%ige Zahlungsgarantie sobald Barzahlen.de die Zahlungsinformation übermittelt hat. Demnach sind bei diesem Zahlweg Rücklastschriften ausgeschlossen.
Als zweiter Dienstleister stellte Geschäftsführer Dr. Niklas Bartelt von paydirekt das neue Online-Bezahlverfahren der deutschen Banken und Sparkassen vor. Die Anwendung von paydirekt erfolgt analog wie PayPal – Benutzername & Passwort und eine Online-Zahlung kann erfolgen. Pluspunkte sammelt paydirekt bei dem Faktor Sicherheit, denn hier wird mit "made in Germany" geworben.
Tatsächlich birgt bereits die initiale Registrierung einen gewissen Charme, denn die Anmeldung zu paydirekt erfolgt über das persönliche Homebanking und verknüpft das eigene Girokonto ohne zwischengeschaltete Drittanbieter. Offensichtlich wurde mit paydirekt aber wohl primär an den deutschen Handel gedacht. Als Beispiel für den Versicherungsbereich wieder der leidliche "Ski-Lift-Case". Mit meiner Frage aus dem Auditorium hinsichtlich Einlösungsgarantie bei wiederkehrenden Zahlungen habe ich dazu Dr. Bartelt wohl auf dem falschen Fuß erwischt. Der Sachverhalt war ihm scheinbar unbekannt.
paydirekt wird noch seine Zeit brauchen – interessante Händler wie z.B. Saturn und Mediamarkt wurden aber bereits angekündigt. Inwieweit ein zeitnaher Case für die deutschen Versicherer entsteht bleibt abzuwarten. Lesen Sie hier in unserer BLOG-Reihe auch demnächst einen Beitrag zu paydirekt von meinem Kollegen Stephan Haack.
"Ein schlüssiges Gesamtkonzept zu neuen Bezahlverfahren in der Versicherungswirtschaft ist nicht erkennbar." – ich zitiere Ralph Herchenbach von der Talanx. Die Fachtagung zeigte mir eine Spur, aber nicht den Königsweg. Die Branche beschäftigt sich mit "kleinen Lösungen", wie z.B. mit dem "Ski-Lift-Case" – den Micro-Versicherungen mit Einmalbeitrag.
Payment-Dienstleister wie PayPal, paydirekt oder Barzahlen.de bzw. technische Lösungen wie SEPA Credit Transfer Instant zeigen neue Wege für einen effizienteren Zahlungsverkehr. Was mir fehlt ist für die "große Lösung" – fundamentale Neuerungen im Zahlungsverkehr für Versicherungen, wie sie der Handel bereits lebt. Ansatzpunkte sind in den Fachabteilungen sicherlich vorhanden, dennoch sind hier nun das Budget und der Pioniergeist von Seiten der Projektsponsoren erforderlich.
Und nun noch mal zur Eingangsfrage: Volle Kraft voraus, oder einen Gang zurück? Grundsätzlich kein Schritt zurück, aber von voller Kraft voraus kann nicht die Rede sein.